Ich lese mich soeben durchs Internet, ich schreibe ja nicht nur sondern sauge auch die Werke anderer Blogger auf. Nur halte ich dieses Lesen an manchen Abenden nicht lange aus.
Mein Herz blutet, wenn ich so manche Beiträge durchleide. Dabei meine ich gar nicht die wirklich tragischen Geschichten, das wahre Leid auf dieser Erde. Das begegnet mir ja in der Tagesschau zu Genüge, damit kann ich umgehen.
Mein Herz beginnt bitterlich zu weinen, wenn ich von dem lese, das so typisch fürs Internet ist. Im Internet nämlich kann man alle sonst verborgenen Teile der Seele ausdrücken. Hier begegne ich der Dunkelheit unserer alltäglichen Beziehungen. Von dem Mann, der heimlich nach der Arbeit zu Prostituierten geht, manchmal nur um in deren Schoss wie ein Kind zu liegen. An einer anderen Stelle schreibt eine Frau einem Unbekannten wie einem Liebhaber, nachdem ihre einst liebevolle Ehe aus irgendeinem Grund eingeschlafen ist und ihr nicht mehr gibt, wonach es ihr begehrt.
Ich entdecke im Internet eine unendliche Vielfalt verborgener Sehnsüchte und Begierden, die viele im „normalen“ Leben niemals so offen aussprechen würden. Es sind oft unerfüllte Wünsche und tiefe seelische Wunden, denen hier im Schatten der Anonymität ein Medium verliehen wird. Bizarrerweise kommen mir die Schreibenden aber keineswegs vor als ständen sie dem Glück jetzt auch nur einen Millimeter näher, obwohl sie nun ihren verborgenen Sehnsüchten zumindest im Heimlichen Platz einräumen. Stattdessen ein Bild wie ich es sonst von Drogensüchtigen kenne. Eine verwirrende Achterbahnfahrt der Gefühle ergibt sich häufig, die an den Seiten rechts und links Unglück mehrt und nur in einzelnen Momenten das eigene Glück kurz befriedigt. Es sind nicht selten existenziell spirituelle Fragen zu erkennen:
Wer bin ich? Ist da noch mehr?
Ich leide, wie ich das lese, da ich mit meinen romantischen Idealen das Reine und Echte, das Ewige, wahre Liebe, wahre Treue, das Wahre an sich suche.
Und dann stehe ich erschüttert vor den Trümmern einer Seele, die diese Ideale im tiefsten Inneren vielleicht sogar weinend herbeisehnt, aber gleichzeitig in sich so verloren ist, dass ihr Weg sie in eine ferne Dunkelheit führt, von der aus das Reine und Wahrhaftige nur noch als unwirkliche Märchengeschichte zu vernehmen ist.
Auf dieses Grau der Blogger schaue ich gar nicht moralisierend oder urteilend. Nein, ich leide mit ihnen und mit allen Betroffenen jener Geschichten, bis ich es nicht mehr aushalten kann. Denn es steckt viel Leid in all diesen persönlichen Erzählungen. Seelische Qualen auf allen Seiten. Unerfüllte Träume, ungefüllte Liebestanks, und vieles mehr. Und so leide ich abwechselnd mit dem Blogger und seinen inneren Sehnsüchten, den inneren Schreien, die ihn motivieren, und mal mit dem betrogenen Ehemann, oder der Prostituierten oder den anderen Figuren dieser depressiven, oft destruktiven Trauerspiele.
Und ich frage mich, ob ich eines Tages an einer dieser Stellen stehen werde…ob das Leben nur lang genug werden muss um auch mich einzuholen…ob mich meine Ideale wirklich bis ans Ende tragen…ob mein Glaube eines Tages bricht oder Bestand haben wird…
Was ist dieses Leid?
Leid ist eine Tür
Leid sind Möglichkeiten
Problematisch wird es, wenn man nur an ein Leben glaubt
Wer weiß, dass es nicht nur ein Leben gibt,
der weiß, dass diese Menschen dieses Leid brauchen um sich zu ent-wickeln
Vielleicht hattest du es ja schon, erinnerst dich nur nicht mehr?
Außerdem ist jeder leidende Mensch eine Chance für ganz viele andere – zu helfen, Leid zu lindern, sich selbst zu ent-wickeln
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Ideale sind eine zwiespältige Angelegenheit.
Einerseits dienen sie der wichtigen inneren Orientierung und Ausrichtung, andererseits ähneln sie in ihrem Wesen der Möhre vor der Nase des Hasen, der ihn immer weiter laufen lässt und der verdammten Möhre doch nicht einen Millimeter näher kommen kann. Wir sind als Menschen unvollkommen, darum kommen wir unserer „Möhre“ niemals wirklich gleich. Das kann unzufrieden machen und den Weg als Ganzes in Frage stellen, wenn ich nicht Acht gebe.
Offenbarungen im Netz – sind zumindest immer fragwürdig. Selbst suche ich die Nähe solcher Schreiber nicht (mehr) und meide sie. Ausnahme ist, wenn ich den festen Willen zur inneren Befreiung, zur Heilung erkennen kann. Ich mag nicht (mehr) mit-leiden, was Mitgefühl nicht ausschließt. Innere Distanz aber auch nicht. So menschlich verständlich alles ist.
Vertraut sind mir auch Zweifel, ob meine Erfahrungen mit Leid, die Erinnerung daran, meine Ausrichtung und mein Glaube reichen werden, mich weiter zu schützen. Sie kommen und sie gehen, die Zweifel 😉
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