Ist die Jungfrauengeburt nicht naturwissenschaftlich widerlegt, Gott letztlich nur eine Projektion des eigenen Ichs auf ein Super-Ich und die Auferstehung ein netter Jahrmarkts-Trick, den sowieso nur die Primitiven der Antike glauben konnten?
Ist es nicht zwingend für eine aufgeklärte Kirche ihren wissenschaftsfeindlichen Gottesglauben abzulegen und ihre eigenen Glaubensbekenntnisse in einem modernen atheistisch entmystifizierten Kontext neu zu bewerten?
Dies jedenfalls schien die Agenda vieler Theologen des 19. und 20. Jhds. gewesen zu sein. Das Mysterium wurde als unmodern aus der Kirche vertrieben, zurück blieb eine verkopfte Sozialwissenschaft, die mehr von Literaturkritik und Soziologie verstand als alle Literaturkritiker und Soziologen zusammen. Im gleichen Schritt verschwand die Faszination Glaube. Es gab keinen Geist Gottes in ihr oder mir noch zu entdecken, denn der Geist Gottes wurde zu einer Metapher für meinen inneren Wunsch körperliche Grenzen zu überschreiten, ihm damit in Kirche und ihren an die Moderne angepassten Bekenntnissen Hausverbot erteilt.
Der Gedankenfehler liegt im Gottesbild als Lückenbüßer für naturwissenachaftlich unerklärliche Phänomene. Richtiger wäre ein Gottesbild, in dem naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten von Gott getragen, weil von ihm eingehaucht und in die Existenz gerufen sind, ohne sie allerdings pantheistisch mit Gott gleichzusetzen. Die Natur kennt Konstanten, weil Gott sie konstant ins Leben ruft, Gott garantiert, dass die Natur ist. Er steckt nicht nur hinter den Wundern der Jungfrauengeburt oder Auferstehung, sondern noch viel mehr ist er und belebt er das Sein an sich, Dank Gott das Sein. Die wissenschaftliche Methodik hat dabei durchaus Grenzen (vgl. Harald Lesch), sie kann nichts über Normatives, nichts über Transzendentes und nichts über Sinn oder nicht-reproduzierbare Anomalien (Wunder) aussagen. Aber sie kann sehr viel deskriptives über repetitive, reproduzierbare Gesetzmäßigkeiten erklären, gewissermaßen mit welcher Sprache Gott diese Welt geschaffen hat. Diese Erkenntnisse sollten beachtet werden, auch von Christen.
Eine Kirche aber, die nicht mehr an Gottes Geist glauben kann, verliert ihre eigene Existenzberechtigung. Es gibt effizientere Wege diakonisch tätig zu werden oder den psychischen Nöten der Menschen zu begegnen. Auch die Sinnfrage kann von einer christlichen Kirche nur dann zufriedenstellend beantwortet werden, wenn hinter dem christlichen Glauben ein Funken Wahrheit steckt. Eine Lüge ist keine zufriedende Sinnstiftung, auch eine metaphorische Neudeutung der Lüge nur eine Illusion. „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ (1. Kor 15,14) Eine moderne, aufgeklärte Kirche, die keine Auferstehung sondern nur psychologische Metaphorik kennt, ist vergeblich, denn ihr Glaube ist vergeblich. Ihre Gläubigen sind „die elensten unter den Menschen.“ (1. Kor 15,19) Denn sie ziehen weder die logische Konsequenz des Atheisten, der die Kirche verlässt, noch kennen sie die tiefe Hoffnung des Gläubigen, der nach wie vor das mystische Geheimnis Gottes in seinem Leben wirken sieht. Vielmehr halten sie den Glauben für eine Lüge und gehen doch nicht fort.
Wie kann man denn etwas Normatives oder etwas über Sinn aussagen?
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Das stimmt so nicht, denn die Frage danach, was es für mich (oder irgendeine andere Person) bedeutet, ist (und ich würde natürlich sogar sagen: nur) wissenschaftlich sinnvoll beantwortbar.
Aber versuchen wir es doch mal andersrum. Vielleicht täusche ich mich ja, und du hast da ein total sinnvolles Konzept, das ich nur noch nicht begriffen habe.
Meinetwegen bleiben wir bei dem von dir vorgeschlagenen Beispiel. Was genau meinst du mit der Frage „Soll ich töten?“ (falls sie so lauten soll, du darfst gerne anders formulieren oder ein anderes Beispiel nehmen, spielt ja keine Rolle), und wie würdest du sie nach deiner Methodik beantworten?
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„Also die Frage überwiegt das Gute/Nutzen des Tötens das Böse/Schaden oder umgekehrt.“
Und du glaubst, dass sich das so abstrakt beantworten lässt, unabhängig von der Situation und den betroffenen Personen? Du glaubst, dass es immer und in jeder Situation falsch ist, einen Menschen zu töten? Ohne Ausnahmen?
„Aber das lassen wir mal außen vor“
Naja, aber wenn das dein Maßstab ist, ist es doch höchst relevant.
„Der Einfachheit wegen. Um die Diskussion nicht noch komplizierter zu machen, “
Ich finde aber, das gehört alles zusammen. Ich will ja eben gerade wissen, wie dein Entscheidungsprozess läuft.
„Der Anspruch nicht Töten alleine ist nicht hoch.“
Okay, aber du hast ja gesagt, dass jedes Leben für dich unendlich hohen Wert hat. Und ich möchte verstehen, wie du das meinst. Deswegen finde ich, dass das sehr wohl mit dem Thema zu tun hat, weil es eben auch den Prozess hinter dem Ergebnis illustriert.
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Es gibt einige Stellen, an denen biblisch überlieferte Wunder hart gegen gut gesichertes naturwissenschaftliches Wissen verstoßen, z. B. das „Anhalten der Sonne“ auf Wunsch Josuas. Bei solchen Stellen sage ich ganz klar: Das kann nicht oder so nicht passiert sein. Einen Deus-ex-machina, der brachial in die Regelmäßigkeiten der Natur eingreift, halte ich für eine überholte und unglaubwürdige Vorstellung.
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