Oft ist zu hören, das westliche Abendland sei christlich geprägt. Mir fällt dazu nur ein, wenn ich mich für christlich geprägt halte, sage ich über mich doch eigentlich nur eines aus: Ich bin kein Christ.
Ein bekennender Christ würde niemals von sich behaupten nur christlich geprägt zu sein. Entweder ich glaube an Jesus als den Christus (=Messias) oder ich bestreite diesen Glauben. Wie kann ich davon nur geprägt sein? Glaube ich daran, ist mein Welt- und Menschenbild grundverschieden von meinem Welt- und Menschenbild, wenn ich nicht daran glaube.
Die Aussage bedeutet letztlich, dass mich als Nicht-Christ ein Christ und sein Glaube auf irgendeine Art und Weise in irgendeinem Aspekt meines Lebens beeinflusst hat. Im kulturellen Kontext kann ich mit einem Rückzug auf meine „christliche Prägung“ vielleicht mein Verständnis von Menschenrechten auch dann noch verteidigen, wenn Sozialdarwinisten daran rütteln und mir rein materialistische Gegenargumente zuneige gehen.
Aber bin ich davon nur geprägt, also beeinflusst, dann kann ich mich nicht zu dem Bekenntnis durchringen diesen Christus, der dem christlichen Glauben Fundament ist, auch als das meinige anzuerkennen. Was ist dann aber meine Prägung noch Wert, ohne den, auf dem der ganze christliche Glaube gründet? Das Christentum ist keine abstrakte Philosophie, von der ich Artikel 1 und 2 gut finden und mich von ihnen in meinen eigenen Ansichten prägen lassen kann, aber Artikel 3 und 4 verwerfe.
Das Christentum gründet nicht auf Ideen oder Artikeln. Es lebt aus der Verehrung einer Person, das Christentum steht und fällt mit meinem Vertrauen in diese Person. Ist dieses Vertrauen nicht da, wovon will ich mich dann prägen lassen? Die Bibel ist zu vielschichtig und zu wenig systematisch aufgebaut, um aus ihr eine von Christus unabhängige Ethik oder Philosophie etablieren zu können. Es gibt kein bisschen, kein lediglich geprägt sein und damit auch kein christlich geprägtes Abendland. Gerade in diesem bloßen Geprägtsein hat das Abendland mit all seiner blutigen Geschichte schließlich mehr Unheil angerichtet als man fassen kann. Eben weil eine Prägung ohne den lebendigen Jesus willkürlich ist und an den wahren, weder kulturell nicht völkisch zu fassenden Glauben gar nicht herankommt, Vieles daran oft auch gar nicht hören will.
Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! So, weil du lau bist und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Mund.
Offenbarung 3,15+16
Ich war einst heiß und gleichzeitig kalt, aber Gott hat mich verworfen, weil ich kalt war. ich war ein Hasser, ja, jetzt bin ich lau, und es geht mir besser.
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Als Kind hab ich das erst mal nicht verstanden – lau ist doch besser als ganz kalt
Nein
Lau ist wie ein wabbeliger Händedruck
Lau ist ein nicht gemeintes Lächeln
Lau ist die nicht goldene Mitte von der aus ich mein Mäntelchen in den Wind hängen kann, der gerade weht
Wenn, dann richtig, egal was
Und wenn ich richtig auf die Schnauze fall, dann tut’s wenigstens weh und bewegt mich zur Umkehr
Lieben Gruß ❤
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Auch als Atheist ist man in unseren Breiten meiner Meinung nach christlich geprägt oder, wie Du es nennst, beeinflusst. So haben wir zahlreiche christlichen Feiertage als gesetzliche Feiertage, ob wir es wollen oder nicht. Das Bild eines christlichen Ort wird geprägt durch eine Kirche in der Mitte. Wunderbare Musik hat in den Texten christlichen Inhalt.
Man muss also nicht dran glauben, kann sich aber dem Einfluss kaum entziehen. Und warum sollte man auch?
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