Nicht der blinde Glaube gehört zur Herausforderung des modernen Christen sondern der Glaube, der geboren wird aus stetigen Zyklen des Zweifels. Der blinde ist ein einfacher Weg, der nicht viel mehr benötigt als eine Autorität, der man die Verantwortung für sein Glaubensleben abgeben kann: Die Bibel und eine bestimmte Art der Auslegung, vielleicht auch eine menschliche Führungsfigur.
Aber das ist auch die Art Glaube, die uns nicht authentisch zu uns selbst stehen lässt. Ja, Jesus lehrt, es sei der simple, kindliche Glaube, der ins Himmelreich führe. So kindlich, dass er noch keine Traditionen, keine Regeln und keine Führer kennt, dass er echt aus dem Herzen spricht und simpel glaubt, ohne zweiten und vor allem ohne Hintergedanken.
Aber wir hier und jetzt sind Erwachsene, die auf Erwachsene treffen. Wir leben in einer Umgebung der zweiten, der unterbewussten, der Hintergedanken. Um zum Glaubenskern, dem authentischen zu gelangen, wir wollen schließlich nicht nur einer missbräuchlichen Religion hinterherlaufen, müssen wir durch ein reinigendes Feuer, das wegbrennt, was nicht wirklich von uns kommt, wegbrennt, was uns vielleicht sogar nur benutzen möchte. Der Zweifel ist ein solches Feuer. Er ist ein Schutz davor in die Hände von falschen Menschenfischern zu geraten, ein Mechanismus religiöse Gebote von den Guten und diesen Bösen zu entlarven, sich Religionskriegen zu entziehen, Verantwortung für seinen Glauben an keinen anderen Menschen und keine weltliche Organisation abzugeben.
Darum hinterfrage deinen Glauben. Wenn er das Hinterfragen nicht übersteht, was ist er dann überhaupt wert? Das Hinterfragen, das Perspektive wechseln, was wäre wenn, es hilft Spreu von Weizen zu trennen. Was kommt authentisch von dir? Was ist dir in deinem Glauben wirklich wichtig? Wieso glaubst du dieses und nicht jenes? In welchem Verhältnis stehst du zu dieser oder jenen Aussage, zu dieser oder jenen Gruppe oder Organisation, zu diesen oder jenen Menschen,…? Wie ist es wirklich um deine Beziehung zu deinem Glaubensziel bestellt?
Danke für diese Ermutigung von Zweiflern!
Allerdings sollte man sich auch keine Illusionen machen, der Weg des Zweifels ist kein leichter und die meisten Glaubensleute können schlecht damit umgehen.
Wenn man z. B. unter Berufung auf die Naturgesetze Zweifel an biblisch berichteten Wundern anmeldet, kommt einem da so einiges entgehen, selbst aus sog. liberalen christlichen Kreisen. Das einfachste ist noch die Beteuerung von Mitchristen, sie selbst hätten kein Problem damit, dass Gott Ausnahmen von den Naturgesetzen machen könnte. Mag ja sein, aber was soll das dem Zweifler helfen, der ja gerade diese Inkonsequenz nicht oder nicht mehr erträgt.
Gern wird die Unabgeschlossenheit der Naturwissenschaften angeführt, ebenso die Vorstellung, dass es sich bei Theologie und Naturwissenschaften um zwei sich nicht überlappende Gebiete handele. Daran ist viel Richtiges, aber im Detail kommt man sich eben doch ins Gehege und in manchen Dingen haben die Physiker eben doch recht sicheres Wissen.
Wenn es hart auf hart, muss man sich auch darauf einstellen, dass freundliche Mitchristen dem kritischen Frager den Austritt aus der Gemeinschaft der Gläubigen nahelegen, mehr oder weniger unverblümt, nach dem Motto „Friss oder stirb“. Ist mir gerade am Wochenende wieder passiert.
Also, man sollte sich seines Glaubens schon einigermaßen sicher sein, wenn man zweifeln will.
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