35 Jahre vergehen, Kraft fließt durch meine Venen, dass ich glaube kein Virus könne mir etwas zufügen, kein Kratzer und kein Wehwehchen lange bei mir verweilen. Unbesiegbar scheine ich mir. Fast kein Krankheitstag in den letzten 5 Jahren.
Doch hinter der unangreifbar scheinenden Stärke beginnt es bereits ganz langsam und unscheinbar zu rosten. Erst ist es nur eine kleine Unannehmlichkeit, die sich beispielsweise in der Form eines Hexenschusses ins Leben schleicht. Jahr für Jahr kommt ein weiteres, unbedeutendes Zahnrädchen dazu, das nicht mehr ganz so perfekt funktioniert wie einst als selbstverständlich angenommen. Die Zeit arbeitet an mir, Stück für Stück wird Zerfall ein Teil des Lebens. Die moderne Medizin hat natürlich allerlei Mittel entwickelt, verrostete Zahnrädchen auszutauschen oder neu mit wasserabweisender Farbe zu bestreichen. Ab einem gewissen Punkt wird es aber offensichtlich: Die nun folgende Geschichte ist eine Geschichte des Zerfalls, unaufhaltsam werden Krankheiten und Verfallserscheinungen integriert, wachsen, nehmen mehr und mehr Raum ein, wenn noch nicht bei mir so doch bei diesem oder jenem Freund, Verwandten, Bekannten, der doch mal so fit gewesen ist. Das einst noch leise Wispern, am hintersten Eck des Raums, die Worte einst vom Lärm des Lebens verschluckt, wird Jahr für Jahr ein bisschen durchdringender, jene hässliche Fratze des Todes. Da gibt es kein Zurück. Das Gift tröpfelt Jahr für Jahr etwas mehr in meinen Venen.
Wenn es eine Auferstehung gibt, kann es keine Wiederbelebung sein. Denn was hier lebt, ist eine Geschichte des Zerfalls, des sich ausbreitenden Defizits, der Blume, die Stück für Stück vom Wind verweht wird. Die Herrlichkeit des Menschen mit ihr. Der menschliche Körper ist ja so fragil, tausendundeins Wege sich zu verletzen, zu erkranken, sicher geglaubte Fähigkeiten zu verlieren, am Ende um zu sterben. Mit Auferstehung ist eine andere, neuartige Qualität des Lebens gemeint. Ich werde nicht nur wiederhergestellt, wie ich war, ich werde ganz neu geschaffen. Ein zweiter, ganz eigener Schöpfungsakt, in dem sich das beste aus Erde und Himmel vereinen.
Danke für diesen Beitrag! Das empfinde ich im Moment ganz genau so. Sowohl was den Zerfall als auch was das Auferstehungsverständnis angeht.
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